Was soll ich studieren ?
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Was soll ich studieren?
SZ vom 14. März 2017
Medizin oder Medien? BWL oder Bio? Die Entscheidung für ein Studienfach ist für viele Abiturienten die schwierigste, die sie bisher in ihrem Leben treffen mussten. Dieser Leitfaden hilft bei der Studienwahl.
Die Studienwahl hat Auswirkungen nicht nur auf die nächsten Jahre, sondern auf das ganze Leben. Dass so viel von ihr abhängt, kann verunsichern und macht sie wahrscheinlich zur schwierigsten Entscheidung, die Abiturienten bisher in ihrem Leben treffen mussten. Soll ich Arzt werden, obwohl die Abinote nicht die beste ist? Soll ich Anglistik studieren, weil Englisch mein bestes Fach war? Oder doch lieber Ingenieurwissenschaft, weil die Jobchancen besser sind?
Bei der Studienwahl gibt es viel zu berücksichtigen. Folgende Schritte können bei der Entscheidungsfindung helfen:
1. Über die eigenen Interessen klar werden
Am Anfang - mindestens ein Jahr vor dem Schulabschluss, am besten noch vor Eintritt in die Kollegstufe - sollte die Überlegung stehen, wo die eigenen Interessen liegen. Gerade, weil man sich mehrere Jahre mit dem Studienfach und später im Beruf mit verwandten Inhalten beschäftigen wird, sollte es einem Spaß machen. Auch wenn Jobchancen und Verdienstmöglichkeiten wichtige Faktoren sind, sollte die Wahl des Studienfachs keine reine Vernunftentscheidung sein. Sonst besteht die Gefahr, dass man sich nicht nur jahrelang durch die Uni quält, sondern später auch am Arbeitsplatz. Und richtig gut sind die meisten Menschen ohnehin in den Bereichen, die sie wirklich interessieren.
Um herauszufinden, welche das sind, können Schüler sich an den Schulfächern orientieren. Einige finden sich an der Hochschule wieder oder sind mit Studienfächern verwandt. Wessen Lieblingsfach Bio war, dem macht vielleicht auch ein Biologiestudium Spaß - daneben gibt es spezialisiertere Studiengänge wie Molekularbiologie oder Life Sciences, die in eine ähnliche Richtung führen. Allerdings ist die Universität keine Fortsetzung der Schule: Anglistik ist nicht Englisch auf höherem Niveau, statt Vokabeln zu pauken, setzen sich die Studenten wissenschaftlich mit der Sprache und dem angloamerikanischen Kulturraum auseinander.
Um sich über ihre Interessen klar zu werden, sollten sich Abiturienten aber nicht nur auf die Schule konzentrieren, sondern auch ihre Hobbys und Freizeitgestaltung berücksichtigen. Wer bis spät in die Nacht vor dem DVD-Player mit den Klassikern der Filmgeschichte sitzt, für den ist vielleicht Medien- oder Filmwissenschaft eine Möglichkeit. Wer zu Hause vom Fahrrad bis zum Toaster alles selbst repariert, sollte sich vielleicht bei den ingenieurwissenschaftlichen Fächern umschauen.
2. Eignung und Fähigkeiten prüfen
Die zweite wichtige Frage, die sich Abiturienten bei der Entscheidung für ein Studienfach stellen sollten, ist die nach den eigenen Fähigkeiten und Talenten. Selbst wenn man in Deutsch und Geschichte immer gute Noten hatte und Lehrer ein vergleichsweise sicherer Job ist: Wer nichts mit Kindern anfangen kann oder ungern vor größeren Gruppen spricht, für den wird ein Lehramtsstudium nicht die richtige Wahl sein.
Neben der Neigung ist auch die Eignung für ein Studienfach entscheidend. "Nur ein tiefes Interesse bringt einen durch Studium und Berufsleben, aber im zweiten Schritt müssen sich Abiturienten auch fragen: Bringe ich die Begabung mit?", sagt die Autorin und Studienberaterin Angela Verse-Herrmann. Interesse gehe nicht automatisch mit Talent einher. "Wer gerne mit Tieren arbeitet, möchte vielleicht Tierarzt werden, braucht aber dafür auch eine naturwissenschaftliche Begabung."
Auch hier können die Schulfächer Anhaltspunkte liefern. Wer gute Noten in Mathe hat, ist vermutlich begabt im Umgang mit Zahlen und im logischem Denken und deswegen möglicherweise für ein mathematisches, technisches oder naturwissenschaftliches Studienfach geeignet. Die Noten sind aber nicht nur Indiz für die Eignung für ein Studienfach, sondern entscheiden oft genug auch darüber, ob man das jeweilige Fach überhaupt studieren darf. Wer sich für ein bestimmtes Fach interessiert, muss vorab prüfen, wie die Zugangsvoraussetzungen sind und wo beispielsweise der Numerus Clausus liegt.
Aber auch das, womit man außerhalb der Schule seine Zeit verbringt, gibt Aufschluss. Manchmal sind Talente offensichtlich: Wer schon seit der Kindheit gerne und gut zeichnet, denkt vielleicht über die Bewerbung an einer Kunsthochschule nach. Aber teilweise müssen Abiturienten auch etwas mehr in sich gehen, um sich über die eigenen Fähigkeiten klar zu werden. Wer sich mit seinen Eltern beim Abendessen regelmäßig Diskussionen über das Weltgeschehen liefert, ist vielleicht geschickt im Argumentieren und gut im analytischen Denken und deswegen in einem sozialwissenschaftlichen Studiengang gut aufgehoben.
Hilfreich kann es daher auch sein, anderen die Fragen nach den eigenen Interessen und Talenten zu stellen. Vielen ist selbst gar nicht bewusst, wo die eigenen Stärken liegen. Eltern oder gute Freunde erkennen eher, dass man beispielsweise eine gute Menschenkenntnis hat, einfühlsam ist und deswegen vielleicht für ein pädagogisches, psychologisches oder soziales Studienfach geeignet.
3. Berufsvorstellungen berücksichtigen
Ein Studium ist nicht nur die Hauptbeschäftigung für die nächsten Jahre, sondern bereitet auch - mehr oder weniger - auf einen Beruf vor. Deswegen sollte man sich schon bei der Studienwahl Gedanken darüber machen, womit man nach dem Abschluss Geld verdienen will. Manche Studienfächer führen direkt zu einem bestimmten Beruf hin: Wer Arzt werden will, muss Medizin studieren; wer Richter werden will, muss Jura studieren.
Bei anderen Studienfächern oder Branchen ist das weniger eindeutig. Mit BWL kann man später für das Controlling eines Großkonzerns zuständig sein oder als Veranstaltungsmanager Messen oder Kongresse organisieren. Und in den Geisteswissenschaften ist das Berufsbild noch offener. Wer Germanistik studiert, wird später vielleicht Deutschlehrer oder arbeitet in einer PR-Agentur - oder er entfernt sich weiter von den eigentlichen Studieninhalten und hat Erfolg in der Unternehmensberatung, weil er im Studium nicht nur Literaturgeschichte, sondern auch analytisches Denken und selbstständiges Arbeiten gelernt hat.
Aber natürlich geht es nicht nur darum, welcher Job einem Spaß machen würde und wofür man geeignet wäre, sondern auch um Arbeitsplatzsicherheit und Verdienstmöglichkeiten. Wenn die Höhe des Gehalts ein entscheidender Faktor ist, kommen einige, gerade soziale Berufe, weniger in Frage.
Geisteswissenschaftler verdienen traditionell deutlich weniger gut als etwa Wirtschafts- oder Ingenieurwissenschaftler. Auch der Berufseinstieg ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften in der Regel schwieriger als in technischen oder naturwissenschaftlichen Fächern. Dass man sich mit solchen Unsicherheiten auseinandersetzen muss, sollte man sich auch in seinem Wunschstudium klarmachen.
4. Informieren und Orientieren
Wer in sich gegangen und trotzdem noch unsicher ist, steht nicht alleine da. Es gibt zahlreiche Hilfs- und Beratungsangebote, die Abiturienten dabei unterstützen, die schwierige Entscheidung für ein Studienfach zu treffen. Berufsberatung bieten die Arbeitsagenturen vor Ort an. Im Berufsinformationszentrum können Besucher Orientierungs- und Eignungstests machen oder sich einen persönlichen Termin beim Berufsberater geben lassen.
Eine Studienberatung für Studieninteressierte bieten auch die Hochschulen an - Kontaktdaten und Termine finden sich über die Websites. Außerdem gibt es neben Hochschul- oder Abimessen, wo sich Hochschulen mit ihrem Studienangebot präsentieren, an vielen Unis Tage der offenen Tür, an denen Abiturienten sich nicht nur über die einzelnen Fächer informieren, sondern auch die Atmosphäre der jeweiligen Einrichtung kennenlernen können - sei es nun Uni, FH, Kunst-, Musik- oder Verwaltungshochschule.
Hilfreich für Unentschlossene kann auch ein Schnupperstudium sein, das einige Hochschulen anbieten: Hier können Studieninteressierte - oft sogar ohne Anmeldung - an ausgewählten Kursen teilnehmen und sich so einen Eindruck verschaffen, ob die Realität ihren Vorstellungen entspricht.
Außerdem gibt es zahlreiche empfehlenswerte Websites, die Studieninteressierten Hilfestellung bieten. Mit Hilfe von Orientierungstests im Internet - beispielsweise von der Hochschule Bochum oder vomBildungsministerium Baden-Württemberg - können sich Schulabgänger über die eigenen Neigungen und in Frage kommende Fächer klar werden.
Daneben gibt es so genannte Studierfähigkeits- oder Eignungstests, die auch Aufschluss darüber geben, ob man für ein bestimmtes Studienfach geeignet sein könnte - zum Beispiel von der Uni Freiburg oder von der RWTH Aachen. Bei manchen Studiengängen gehört das Absolvieren solcher Tests sogar zum Bewerbungsverfahren - entscheidend ist dabei oft nicht das Ergebnis, sondern die Teilnahme selbst, weil die Hochschulen so erreichen wollen, dass sich Bewerber mit ihrer Studienwahl auseinandergesetzt haben.
Darüber hinaus gibt es einige Websites, auf denen man sich über die Studieninhalte bestimmter Fächer oder über die Bandbreite des Studienangebots informieren kann. Auf www.hochschulkompass.de zum Beispiel, einem Angebot der Hochschulrektorenkonferenz, können Studieninteressierte nicht nur gezielt nach sämtlichen Hochschulen und Studiengängen bundesweit suchen, sondern sich auch Studiengänge aus bestimmten Fachrichtungen anzeigen lassen.
Auf diese Weise können sie einen Eindruck gewinnen, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt und welche Ausprägung eines Fachbereichs für sie die richtige ist. Außerdem können sie bestimmte Filter setzen und so zum Beispiel nur nach Studiengängen in bestimmten Bundesländern oder mit bestimmten Zugangsvoraussetzungen suchen. Der Hochschulkompass erfasst alle Studienangebote in Deutschland.
Quelle SZ vom 14. März 2017